Das Dogon-Geheimnis – eine Botschaft aus dem All?
Wolf-Ulrich Cropp

Weder die verdammte Hitze störte mich, noch ätzender Alkalistaub, der die Kehle wie Sandpapier rieb. Ich war im Banne der schwarzen Trommeln, deren Rhythmus vom dumpfen Dröhnen in irres Pochen fiel. Plötzlich stürmten von rechts schaurig-schön maskierte Gestalten auf den heiligen Versammlungsplatz, unterhalb der Toguna, dem heiligen Rathaus.
Die Erde dröhnte unter den stampfenden Tanzsprüngen. Die Maskenmänner steckten in gelben und violetten Bastkostümen. Ihre Gesichter, ja die ganzen Schädel waren eingeklemmt in schwere, prächtige Holzmasken - alle grimmig im Ausdruck. Gerade „rannte“ eine Stiermaske durch den Staub, dann ein Gnom weiß maskiert mit Speer.
Jetzt stakte die Attraktion heran: Stelzentänzer, mit Kaurimuschel-Masken, zwei Meter über dem Boden! Sie symbolisierten die Weiblichkeit mit Busen aus halbierten Kalebassen. Flankiert wurden die Stelzen von Stockwerksmasken-Trägern. Die wirbelten mit Masken umher, die drei Meter lang waren und 40 Kilo wogen. Und das bei der Hitze!
Allmählich kam ich zur Besinnung. Wo war ich da hineingeraten?
Vor vier Tagen hatte meine kleine Expedition den Niger-Strom verlassen, war mit einem Landrover an die Abrisskante von Bandigara, ins Dogonland gefahren... bis es nicht mehr weiter ging. Zu Fuß arbeiteten wir uns auf schmalem Gebirgspfad hinauf nach Yabatalou, einem der letzten, abgeschiedenen Dörfern direkt unter einer Felswand. Im Yabatalou-Kral
wollte ich etwas über die Dogon erfahren, jenem mysteriösen Hirsebauern-Volk, das im 15. Jahrhundert hierher an die Falaise (Steilwand) gewandert war und die Tellem aus ihren Höhlen vertrieben hatte. Ethnologen nehmen an, dass die Dogon bereits um Christi Geburt Ägypten verließen. Und es heißt, das Volk hätte einst Botschaften aus dem Universum erhalten. Es hat sich auf die Wanderschaft nach Mauretanien begeben, um dann an Felshängen Malis ihr Rückzugsgebiet zu finden. Die Dogon wollten, von der Außenwelt abgeschirmt, ihren kosmischen Festen, gepaart mit komplizierten Ahnenkulten huldigen.
Ich erwarb das Vertrauen des Dorfchefs und durfte auf dem Dach einer leeren Wohnhütte mein Lager aufschlagen. Auch in Yabatalou machte sich die Landflucht bemerkbar. Einige Behausungen waren verwaist, Vorratsspeicher leer oder verfallen.
Das Dorfleben nahm seinen beschwerlichen, streng geregelten Lauf... bis Chef Boumarou eines Tages über den Dolmetscher berichten ließ, dass einer der Dorfältesten verstorben sei. Und das Erstaunliche war: wir durften dem Totenkult beiwohnen! Eine unglaubliche Geste bei den Dogon, in deren Dörfern fast jeder Stein ein Altar, jeder Ast ein Fetisch darstellt, das tägliche Leben von unzähligen Tabus eingeschränkt wird und Fremde die heiligen Zeremonien entweihen!
War ich jetzt meinem Ziel: einer fernen Botschaft, das Dogon-Geheimnis zu ergründen, näher gekommen?
Mitreißend, ja aufregend war es, Ahnenverehrung und Totenkult so hautnah zu erleben. Immer noch wurden mächtige Fasstrommeln gerührt. Schweiß strömte über schwarze Haut. Maskenmänner tanzten sich in Trance. In respektvollem Abstand bildeten Frauen und Kinder
eine schweigende Kulisse. Auf dem heiligen Platz wogten die Masken wie absurde Vogelscheuchen. Masken repräsentieren bei den Dogon das gesamte Universum, alles Bedeutsame: Leben, Tod, Arbeit, Fruchtbarkeit...
Das Begräbnis-Zeremoniell strebte dem Höhepunkt zu: über dem, in Decken gehüllten,
Leichnam zerbrach der Dorfzauberer eine Hacke – als Symbol für ein abgelaufenes Leben. Der Torso wurde mit Grabschmuck verziert, dann von den Maskentänzern an eine Klippe getragen und mit Seilen in schwindelnde Höhe gezogen, wo der Tote in einer offenen Höhle seine letzte Ruhe fand.
Die Dogon leben unter ihren Toten. Der Friedhof liegt oben, dem Himmel näher, in den Höhlen der einst vertriebenen Tellem. Die Ahnen wachen über die Lebenden. Dogon glauben fest an ein Leben im Jenseits. Das Jenseits steht mit dem Diesseits in regem Informationsaustausch. Eine Erklärung für ihren extremen Ahnenkult? Überhaupt spielt der Himmel mit dem Universum bei den Menschen eine elementare Rolle.
Als der letzte Trommelschlag verebbte, die Akteure sich kraftlos niederließen oder in ihre Hütten wankten, gesellte ich mich mit dem Übersetzer zu Boumarou.
„Unsere Frauen sammeln Sterne vom Himmel und geben sie den Kindern zum Spielen,“ sagte der Dorfchef versonnen, blickte aus seiner Hütte, dann fuhr er fort: „Die Fremden nennen uns ungläubig, dass ist falsch, wir Dogon sind von tiefer Religiosität. Uns ist alles heilig: die Erde, der Himmel und was sich dazwischen befindet!“
„Ihr Volk feiert alle 60 Jahre ein großes Fest,“ bemerkte ich.
„So ist es, das Sigui-, das Reis-Fest zu Ehren unseres Gottes Amma, dem Schöpfer der schwarzen und der weißen Menschen. Wir sind `die schwarzen Kinder des Lichts’. Sigui ist ein Maskenfest, ähnlich dem, das Sie gerade erlebt haben. Mit den Masken treten wir mit den Ahnen in Kontakt und tauschen Informationen aus.
Ich erfuhr, dass das Große Fest sieben Jahre dauert. Es ist eine zyklische Veranstaltung. Maskenmänner ziehen von Dorf zu Dorf und „erzählen“ eine kosmogonische (weltbeschreibende) Geschichte über Leben, Tod und Auferstehung in sieben Kreisläufen.
In jedem Jahr einen Botschaftszyklus.
Das nächste Sigui-Fest findet im Jahr 2027 statt. In 22 Jahren nämlich ist Sirius B dem hellen, sichtbaren Sirius A am nächsten. Damit Auslöser des Großen Festes. Doch woher wissen die Dogon das? Menschen können den Trabanten überhaupt nicht sehen! Woher haben die Hirsebauern die Information von der Existenz des Sirius B, den sie Po, „kleines Korn“ nennen?
In ihrer Mythologie wird der Trabant als sehr alt, sehr hell, sehr schwer und alle 60 Jahre wiederkehrend beschrieben.
„Nommo hat uns die Kunde gebracht! Ein kreisförmiges Wesen, das unter Lärm und Staubentwicklung einst vom Himmel herabstieg,“ sagte Bounarou in voller Überzeugung. Für Erich von Däniken ein klarer Beweis: Die Dogon hatten vor langer Zeit Besuch von Außerirdischen! Nur so konnte ihnen das phänomenale Wissen über den Kosmos vermittelt werden!
Gewiss eine Erklärung! Ist sie aber glaubwürdig? Rechnen wir nach dem komplizierten Dogon-Kalender zurück, so feierten die Bauern 1967 das Sigui-Fest zum 34. mal, was auch tatsächlich zutraf, 10 mal davon an den Felsen von Bandigara. Das stimmt mit dem Eintreffen des Volks in Mali im 15. Jahrh. überein.
Interessant wird es, wenn wir uns die Zeit des ersten Festes 73 vor Chr. vorstellen. Da lebten die Dogon noch am oberen Nil, was bedeutet, dass sie von den Ägyptern deren Wissen vom Sternenhimmel übernommen haben könnten. Ein Paläo-Astronom aus den USA wies nach, dass der kleine Sirius B bis zum Jahr 50 vor Chr. mit bloßem Auge zu sehen war, dann aber kollabierte und dem menschlichen Auge entschwand. Mit Hochleistungsteleskopen kann Po einmal in 60 Jahren entdeckt werden, allerdings nur, wenn er Sirius A am nächsten ist – zur Zeit des Sigui-Festes!
Astronomen machten den Trabanten als „Weißen Zwerg“ mit ungeheurer Dichte aus (ein Fingerhut wiegt rund 40 Kilo!). Wie aus der Mythologie übermittelt. Modernes Wissen, das einfache Dogon-Bauern bereits seit über 2000 Jahren besitzen. Doch ein Hinweis aus dem All?
Tief beeindruckt von den astronomischen Kenntnissen und dem komplexen Weltbild des Naturvolks verließ ich Boumarou und den Dorfchef, den Hüter der Masken, Riten und Botschaften seiner Ahnen. Und brach nach Norden auf, nach Timbuktu – einem anderen Phänomen auf der Spur...

       
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