China, im Juli 2004

Ming oder die tapfere Lehrerin

,,Da, das Loch im Berg - siehst du es?ruft Ming ins Stampfen des Schiffsdiesels.
,,Welches Loch?"
,,Na, da oben, schau doch!" Schon hat sie ihre Camera im Amschlag.
Wer,,Balzac und die kleine Schneiderin" sah, obendrei gut aufgepasst hat, dem ist das Bergloch aufgefallen. Der Film wurde in der karstigen Berglandschaft am Lijiang gedreht.
Und dass nicht von ungefähr: Seit zwei Stunden schlägt uns der Fluss in den Bann. Es ist, als gleiten wir auf einem seiden-blauen Band durch ein Eden smaragdgrüner Zuckerhütte aus Jade. Eine Landschaft aus der Saurierzeit - überirdisch schön. Nicht nur von chinesischen Künstlem besungen, beschrieben, gemalt - wohl der Höhepunkt unserer China-Reise.
Die Flotte flachrümpfiger Ausflugsdampfer verteilt sich auf dem blauen Seidenband. Wer es sich leisten kann, möchte natürlich die Urlandschaft - vor 300 Millionen Jahren entstanden -bestaunen. Freiwillig, versteht sich. Das war nicht immer so.
Der Blick schweift in Täler, an sanfte Ufer mit bilderbuchhaft-anmutenden
Terrassenfeldern, in denen Wasserbüffel stoisch pflügen, Frauen gebückt, unter mächtigen Hüten, Reissetzlinge im Schlamm versenken. Hitze dampft aus den Feldem. Hütten lugen aus schattenspendenden Bambushainen ... wie malerisch kann Amut sein! Ein Kormoranfischer bringt sich in Stellung. Seine schwarzen Vogel, vom vielen Cameraposieren etwas träge geworden, lassen sich füttern. Idylle liegt über dem Land der Zhuang, dem „Gipfel der Einzigartigen Schönheit", dem „Wellenbrecher-Berg", dem „Berg der Farbigen Schichten",
dem ,Sieben-Steme-Park", der ,Schilfrohrflöten-Höle"...
Vor 35 Jahren war das Lalidleben far Intellektuelle und Kiinstler weib Gott nicht idyllisch. Die Kulturrevolution frabß ihre Eliten auf karger Krume. Ming weiß es am besten. Sie spricht kaum darüber, aber die Revolution hat Narben geschlagen, nicht nur seelische! Doch sie ist zurückgekommen, in ihre Heimat, wieder und wieder, tapfer und enthusiastisch. Zuletzt mit uns: Lehrern und Interessierten. Auch daraus spricht Courage!

Hamburg, den 10. August 2004

       
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